Bundesverfassungsgericht erhöht Anforderung an Ausweisung faktischer Inländer |
In einer neuen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) erhöht dieses die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Ausweisung. Eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bremen wird von dem Verfassungsgericht mit harschen Worten aufgehoben. Das BVerfG betont in der Entscheidung die Bedeutung der Abwägung und der Gefahrenprognose.
Das BVerfG geht zwar davon aus, dass für sogenannte "faktische Inländer", also Bürger, die in Deutschland geboren oder als Kleinkind eingereist sind, kein generelles Ausweisungsverbot bestehe. Allerdings müsse die besondere Härte, die eine Ausweisung und damit verbundene Abschiebung für faktische Inländer darstellt, angemessen berücksichtigt werden. Nicht nur aus dem Unionsrecht, sondern auch aus dem Verfassungsrecht und Konventionsrecht (Europäische Menschenrechtskonvention) folgt nach Auffassung des Gerichts daher, dass eine auf den konkreten Einzelfall bezogene individuelle Gefahrenprognose erstellt werden müsse. Dabei seien auch aktuelle Tatsachen zu berücksichtigen, die die Annahme einer Gefahr entfallen lassen oder nicht unerheblich vermindern können, zu berücksichtigen, so das BVerfG.
Rechtsanwalt Dr. Albert stellt hierzu fest: "Das Bundesverfassungsgericht hat erneut die Bedeutung einer individuellen Gefahrenprognose betont. Trotz Kritik an seiner Rechtsprechung bleibt es dabei, dass bei Feststellung einer positiven Sozialprognose in strafvollstreckungsrechtliche Entscheidungen von den Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten nur unter engen Grenzen von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden darf."
Rechtsanwalt Dr. Albert hat zur Frage der Gefahrenprognose im Ausweisungsrecht nach strafrechtlicher Verurteilung im Dezember 2019 seine Disseration abgeschlossen. Nach seiner Auffassung stellt die neue Entscheidung des Verfassungsgerichts eine deutliches Zeichen an die Verwaltungsgerichte dar, dass auch künftig Entscheidungen mit schematischer Gefahrenprognose aufgehoben werden. Rechtsanwalt Dr. Albert: "Für die Praxis besonders wichtig ist, dass das Verfassungsgericht andeutet, dass positives Nachtatverhalten stärker als günstiges Prognosemerkmal berücksichtigt werden muss. Auch betont das Gericht nochmals, dass von Prognosen durch besonders fachkundige Stellen nur aufgrund einer breiteren Tatsachengrundlage abgewichen werden darf. Häufig ist jedoch zu sehen, dass nicht Tatsachen, sondern Wertungen die Grundlage für ein Abweichen von Prognosen darstellen, was mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht in Einklang zu bringen ist."
(BVerfG Beschluss vom 25.08.2020, 2 BvR 640/20).
Zuletzt geändert am: 19.09.2020 um 12:10
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